Gehörst du auch zu den Menschen, die immer zuerst schauen, was andere brauchen, und die sich öfters mal selbst im Kontakt vergessen? Dann ist dieser Beitrag für dich.
Ich möchte schon länger einen Beitrag darüber schreiben, warum ich mittlerweile denke, bzw. eher davon überzeugt bin, dass zu viel Freundlichkeit ungesund ist.
In den vergangen Jahren habe ich mich immer wieder den Themen People Pleasing und Co-Abhängigkeit gewidmet, einige Beiträge dazu verfasst und auch mehrere Frauen begleitet, die genau mit diesen Themen zu tun haben.
Irgendwann habe ich angefangen mich intensiver mit dem Thema Traumaheilung und den daraus resultierenden Überlebenstrategien auseinanderzusetzen und bin auf die Überlebensstragie: Fawn-Response gestoßen.
Ich habe vor ein paar Jahren einen Beitrag dazu geteilt, der damals großen Anklang fand und mich darin bestätigte, dass viele von uns feinfühligen Menschen von dieser Überlebensstrategie betroffen sind.
Fawn-Response – die chronische Unterwerfungsgeste
Fawning bedeutet übersetzt einschmeicheln, oder unterwerfen. Den Begriff geprägt hat der Traumatherapeut Pete Walker, der selbst von komplexen Trauma betroffen ist. In seinem wirklich empfehlenswerten Buch “Posttraumatische Belastungsstörung – vom Überleben zu neuem Leben” beschreibt er, dass von Fawning oft Menschen betroffen sind, die in ihrer Kindheit narzistischen Missbrauch von mindestens einem Elternteil erlebt haben.
Die Traumatherapeutin Dami Charf bezeichnet den Fawn-Response, als chronische Unterwerfungsgeste, was ich persönlich als sehr treffende Bezeichnung empfinde. Fawning wird auch Bambi-Reflex genannt.
Fawning als Traumareaktion
In meinem letzten Beitrag über die Funktion des autonomen Nervensystems bin ich schon darauf eingegangen, dass unser autonomes Nervensystem auf Gefahr mit 3 Überlebensstrategien reagiert : Kampf, Flucht und Erstarrung.
Mittlerweile wird in der Traumafachwelt Fawning als 4. Überlebensstragie anerkannt. Wichtig ist hier noch zu erwähnen, dass Fawning nicht in uns angelegt, sondern eine erlernte Überlebensstrategie ist.
Wie Fawn-Response entsteht:
Wenn wir uns langfristig in einer nicht zu bewältigenden Lebenssituation befinden und weder Kampf, oder Flucht möglich ist, erstarren wir. Dieser Erstarren geht über den Totstellreflex hinaus, weil es ein tiefes innerliches Aufgeben ist.
Wir machen uns und unsere Bedürfnisse weg und versuchen uns ständig anzupassen und Harmonie im Außen herzustellen.
Auch wenn dies schmerzhaft und schlimm klingt, ist diese Reaktion zum Zeitpunkt der andauernden Bedrohung eine intelligente Strategie unseres Systems, die Bindung zu unseren Bezugspersonen aufrecht zu erhalten und damit unser Überleben zu sichern.
Durch die erhöhte Achtsamkeit nach Außen und die Anpassung durch Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, versuchen wir möglichst wenig emotionale, psychische, oder physische Gewalt zu erfahren und trotzdem noch Zuwendung zu erhalten.
Wenn du davon betroffen bist und bis hierhin gelesen hast, lade ich dich ein einmal bewusst ein- und auszuatmen.
Vielleicht hast du in den ersten 20 Jahren deines Lebens genau diese Überlebensstrategie entwicklen müssen, um die Beziehung zu deinen Bezugspersonen aufrecht zu erhalten.
Vielleicht hast du deswegen jetzt als erwachsener Mensch Probleme damit deine Bedürfnisse zu spüren und zu formulieren, Nein zu sagen, Grenzen zu spüren und zu setzen, Raum einzunehmen und dich zu behaupten.
Dann geht es dir wie vielen feinfühligen Menschen mit Fawn-Response.
Die gute Nachricht ist: die Vergangenheit ist vorbei. Du kannst jetzt anfangen, dich und deine Fawn Reaktion liebevoll zu beobachten und dich langsam umzukonditionieren. Denn letztendlich ist Fawning eine konditionierte Reaktion auf eine Gefahr, die mittlweile vorbei ist.
Das bedeutet genau zu beobachten, wann die Überfreundlichkeit einsetzt und du dich eigentlich in einer Unnatürlichkeit bewegst. Dies kann auch bedeuten dich nicht zehn mal zu bedanken und zu lächeln, wenn dir gar nicht danach zumute ist. Und nicht mehr ständig sofort für andere Menschen da zu sein, ohne dich zu fragen, was du eigentlich gerade brauchst.
Wie du siehst, ist zu viel Freundlichkeit ungesund, wenn sie aus einer Dysregulation des Nervensystems entsteht.
In der Dysregulation sind wir nicht im Kontakt mit unserem authentischen Selbst und unterdrücken unseren wahren Bedürfnissen. Wenn wir unsere eigentlichen Bedürfnissen unterdrücken, führt dies zu einer Reihe von körperlichen und psychischen Symptomen, unter denen wir dann leiden.
Ein Weg, wie wir wieder zurück zu unserem wahrhaftigen Selbst finden, geht über die Regulierung unseres Nervensystems und neue korrigierende Beziehungserfahrungen. Es ist ein Weg der Zeit und oft auch Unterstützung von außen benötigt.
Ein guter Einstieg, um körperliches Gewahrsein zu entwickeln, ist der Nervensystem Check-in. Hier kannst du dir die Audio-Datei für nur 7 Euro runterladen.
– Dieser Beitrag ist zuerst hier im Safe Space Newsletter auf Substack erschienen. –